Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir möchten Ihnen heute Neuigkeiten rund um den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung senden.

Dafür hat unser E-Mail-Newsletter einen kleinen Relaunch erfahren. Er enthält einige neue Formate: Sie erhalten in jedem Newsletter einen kurzen vertieften Einblick in ein Thema des Gutachtens. Dazu nutzen wir Kurzinterviews mit Sachverständigen, kurze Beiträge aus der Geschäftsstelle oder andere kurzweilige Formate. In diesem Newsletter geht es um die "Digitalisierung als Gelegenheitsfenster". Sie erwartet zudem Aktuelles rund um den Dritten Gleichstellungsbericht und das Thema geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung. Nicht zuletzt informieren wir Sie über die neusten Veröffentlichungen zum Gutachten bzw. zum Gleichstellungsbericht, Vorträge der Sachverständigen und einschlägige Veranstaltungen. Der Newsletter, der ab jetzt in einem monatlichen Rhythmus erscheinen wird, enthält zudem Illustrationen von Ka Schmitz und Imke Schmidt-Sári.

Wir hoffen, Sie finden ihn ansprechend und wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Kabinettsbeschluss zum Dritten Gleichstellungsbericht steht bevor | Illustrierte Broschüre „Das Gutachten in Kürze“ | Veröffentlichung „101 Handlungsempfehlungen“

Einblick in das Gutachten: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster | Interview: Drei Fragen an Prof. Dr. Yollu-Tok | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Kabinettsbeschluss zum Dritten Gleichstellungsbericht steht bevor

Nachdem das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht im Januar an das BMFSFJ übergeben wurde, hat die Bundesregierung mit allen Ressorts eine Stellungnahme zum Gutachten erarbeitet. Das Gutachten sowie diese Stellungnahme inklusive einer Bilanzierung des vorhergehenden Zweiten Gleichstellungsberichts werden gemeinsam den Dritten Gleichstellungsbericht darstellen. Der Beschluss zum Dritten Gleichstellungsbericht im Bundeskabinett wird in Kürze erwartet. Wir werden darüber vermutlich bereits im nächsten Newsletter berichten können. (Auf unserer Homepage finden Sie Hintergrundinformationen zu Abläufen und Bestandteilen der Gleichstellungsberichte.)

Neue illustrierte Broschüre: „Das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht in Kürze"

Frisch aus der Druckerei kommt die Broschüre „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten. Das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung in Kürze“. Die Broschüre informiert eingängig über die zentralen Inhalte und Handlungsempfehlungen des Gutachtens. Illustriert wurde sie von Ka Schmitz und Imke Schmidt-Sári; einen ersten Eindruck der Illustrationen finden Sie weiter unten im Newsletter. Die Broschüre steht als PDF-Version zum Download zur Verfügung und kann in der Printversion bei der Geschäftsstelle per Email kostenlos bestellt werden.

Zusammenstellung der 101 Handlungsempfehlungen des Gutachtens

Eine weitere neue Veröffentlichung findet sich auf der Homepage: Das Dokument „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten: 101 Handlungsempfehlungen“ stellt die Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten zusammen.

Einblick in das Gutachten

Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für die Gleichstellung

Die interdisziplinäre Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht hat die Digitalisierung aus einer soziotechnischen Perspektive unter die Lupe genommen. Der soziotechnische Ansatz macht sichtbar, dass sich Digitalisierung in einem gesellschaftlichen Kontext abspielt. Zu diesem Kontext gehören auch Geschlechterverhältnisse, die sich auf den Zugang zu digitaler Technologie, die Art und Möglichkeit ihrer Nutzung und ihre Gestaltung auswirken. So führen beispielsweise durch Stereotype geprägte Unternehmenskulturen oder schlechte Bedingungen für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit mit der Sorge für Kinder oder andere Angehörige dazu, dass Frauen schlechter Zugang in die Digitalbranche finden. Zudem bleiben sie häufig nicht lange in der Branche und können so die Möglichkeiten eines solchen Arbeitsplatzes nicht nutzen. In der Gestaltung von Software spiegeln sich Geschlechterverhältnisse in Beispielen wie diesen wider: Ein Künstliche-Intelligenz-Chatbot, der mit Hilfe von Spracherzeugungswerkzeugen wie Googles GPT-3 philosophische Texte erstellen soll, produzierte auf Basis des aus dem Netz gelernten frauenfeindliche und rassistische Ausfälle.

Wer schon einmal etwas aus einer Fremdsprache übersetzt hat, weiß, dass Wörter nur in ihrem Kontext Sinn ergeben. Übersetzung bedeutet dabei immer auch eine Interpretation des Kontexts. Ähnlich verhält es sich mit der Digitalisierung, d. h. der mathematischen Übersetzung der Welt in Daten und Algorithmen. Fehlt dieser Kontext, passiert es, dass technologische Anwendungen am gesellschaftlichen Bedarf vorbei eingeführt werden oder ihn sogar konterkarieren. In Bezug auf Gleichstellung bedeutet dies: Ebenso wie die Gesellschaft durch Geschlechterverhältnisse geprägt ist, ist auch die Digitalisierung durch Geschlechterverhältnisse geprägt. Technik und auch der Prozess der Digitalisierung sind also nicht (geschlechts-)neutral.

Die Digitalisierung öffnet ein Gelegenheitsfenster, um herrschende Geschlechterverhältnisse sichtbar zu machen, Rollenzuschreibungen zu hinterfragen und Machtverhältnisse neu zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund reflektiert das Gutachten die geschlechtsbezogenen Auswirkungen der Digitalisierung in unterschiedlichen Bereichen: der Digitalbranche, der digitalen und digitalisierten Wirtschaft sowie der Gesellschaft. Inwieweit die Gleichstellung der Geschlechter im Zuge der technologischen Veränderungen zunimmt oder abnimmt, hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen der digitalen Transformation und deren Gestaltung ab. Das Gutachten zeigt hier mit 101 Handlungsempfehlungen für eine geschlechtergerechte Gestaltung der Transformation zahlreiche Handlungsoptionen auf.

3 Fragen an: Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok

Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok ist Professorin für Volkswirtschaftslehre sowie Direktorin des Harriet Taylor Mill-Instituts für Ökonomie und Geschlechterforschung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Als Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht hat sie das Gutachten entscheidend mitgeprägt.

Die Kommission der Sachverständigen für das Gutachten war interdisziplinär aufgestellt. Was war das spannendste, das Sie von Ihren Kolleg*innen bezüglich Technik und Geschlecht lernen konnten?

Aysel Yollu-Tok: Die Arbeit in der Kommission hat meine Sicht auf digitale Technologien grundsätzlich verändert. Viele technische Entwicklungen kommen oft als das Ergebnis einer neutralen Wissenschaft daher. Wenn die Entwickler*innen von Technik nur sich selbst als Maß aller Dinge nehmen, wird Technik von weißen Männern mittleren Alters hauptsächlich für weiße Männer mittleren Alters passend sein. Das ist nicht neu. Wir kennen alle Beispiele aus unserem Alltag, etwa Herzmedikamente, die für Frauenköper ungeeignet sind, weil sie nur an Männern getestet wurden.

Neu ist, dass durch die datengetriebene Digitalisierung diese Verzerrungseffekte eine neue Dimension bekommen. Es ist nun möglich, unterschiedliche Informationen aus unterschiedlichen Quellen schnell, einfach und preiswert zu verknüpfen. Nur die wenigsten hinterfragen die Genese dieser Daten und durch den Einsatz algorithmischer Systeme wird der Berechnungsprozess zusätzlich verschleiert. So können Geschlechterstereotype und beispielsweise Rassismus fortgeschrieben werden.

Können Sie diesen Zusammenhang von Digitalisierung und Geschlecht an einem Beispiel veranschaulichen?

Aysel Yollu-Tok: In den knapp 200 Seiten unseres Gutachtens finden Sie viele Beispiele und nahezu täglich schreibt das Leben neue. So auch im Herbst 2020, mitten in der Corona-Pandemie. Wie alle habe ich auf die gute Nachricht gewartet, dass endlich ein Impfstoff zum Schutz vor Covid-19 entwickelt wurde. Dann ist dem Forscherpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin mit dem Mainzer Unternehmen BioNTech und dem Pharmakonzern Pfizer der Durchbruch gelungen. Alle Medien haben sofort über Uğur Şahin berichtet, den Vorstandsvorsitzenden von BioNTech –  aber wenig über Özlem Türeci, die Leiterin der Abteilung für Klinische Entwicklung in der Firma. Hintergrund war vermutlich eine eilige Internetrecherche. Denn der Algorithmus der größten Suchmaschine in Deutschland benannte die Funktion von Uğur Şahin völlig korrekt, während Özlem Türeci lediglich als seine Ehefrau ausgewiesen wurde. Auch wenn niemand absichtlich die Leistung dieser Forscherin unsichtbar machen wollte, tragen sogenannte „lernende Algorithmen“ Stereotype weiter und beeinflussen unsere Sicht auf die Welt. Das ist vielen nicht bewusst.

Die Sachverständigenkommission spricht von der Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für die Gleichstellung? Können Sie dazu ein Beispiel benennen?

Aysel Yollu-Tok: Ein Beispiel? Ich könnte gleich 101 Beispiele nennen. So viele Handlungsempfehlungen haben wir nämlich in unserem Gutachten formuliert. Sie alle zielen auf die wesentlichen Voraussetzungen, um die Digitalisierung geschlechtergerecht zu gestalten: der Zugang zu relevanten Ressourcen, die Nutzung digitaler Technologie und die Gestaltung der Technik und des digitalen Transformationsprozesses. Wenn in diesen drei Bereichen geschlechtergerecht gedacht und gehandelt wird, öffnet die Digitalisierung tatsächlich ein Gelegenheitsfenster, für mehr Gleichstellung in unserer Gesellschaft. Denn inwieweit diese im Zuge der technologischen Veränderungen zunimmt oder abnimmt, hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen der digitalen Transformation und der Gestaltung des Transformationsprozesses ab. Wir möchten mit unserem Gutachten Anstöße für gute Rahmenbedingungen geben und Menschen ermutigen, sich am Gestaltungsprozess der Digitalisierung aktiv zu beteiligen.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen :

netzforma e.V. – Verein für feministische Netzpolitik: Wenn KI, dann feministisch: Impulse aus Wissenschaft und Aktivismus, Berlin 2020.

Will Douglas Heaven: How to make a chatbot that isn’t racist or sexist, MIT Technology Review, 23.10.2020.

Sehen:

Coded Bias - Vorprogrammierte Diskriminierung, Dokumentarfilm von Shalini Kantayya, USA 2020. Abrufbar auf Netflix (kostenpflichtig)

PICTURE A SCIENTIST – Frauen der Wissenschaft, Dokumentarfilm von Ian Cheney und Sharon Shattuck, USA 2020. Abrufbar im Online-Kino  (kostenpflichtig)

Hören:

"Rolle Rückwärts"-Podcast, Folge "Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten" mit Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, Podcast der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF), Abrufbar auf der Seite der Arbeitnehmerkammer.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Veranstaltung vor. Einen Überblick zu Formaten und Inhalten bekommen Sie im Folgenden. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

08.03.2021: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender diskutierten im Bundespräsidialamt mit KI-Expertinnen, Gründerinnen und Politikerinnen. Einen Videomitschnitt finden Sie hier.

Am selben Tag stellte die Sachverständige Dr. Caroline Richter bei dem Webinar „Digitalisierung braucht mehr Frauen!“ (zum Nachschauen) das Gutachten vor und diskutierte mit der MdEP und Mitinitiatorin des EU Digital Manifesto Alexandra Geese sowie MdB und Mitgründerin von SheTransformsIT  Dr. Anna Christmann.

17.03.2021: Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok sprach bei einem Side Event des Europarats bei der 65. Sitzung der UN Commission on the Status of Women (CSW) unter dem Titel „Digital Gender Gaps & Opportunities zu gleichberechtigter Teilhabe und Gewalt gegen Frauen im digitalen Zeitalter. Ein Video der Veranstaltung kann online angesehen werden.

03.05.2021: Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok hielt einen Impulsvortrag zum Gutachten bei dem KI Kongress „Frauen* und Künstliche Intelligenz – Geschlechterpolitische Veränderungen durch neue Technologien“ der EAF Berlin und Erfolgsfaktor FRAU e.V. Eine ausführliche Dokumentation des Kongresses ist geplant, aktuell steht bereits eine Zusammenfassung einiger Highlights online.

09.06.2021: Das ver.di GPB Online-Seminar "Digitalisierung der Arbeitswelt geschlechtergerecht gestalten" zum Dritten Gleichstellungsbericht wird von der Geschäftsstelle durchgeführt. Diese Veranstaltung ist ausgebucht.

 

Mit besten Grüßen

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung
Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik – Gemeinnütziger e. V.

Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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