„Digitale Gewalt jenseits von Hate Speech“

Eine Veranstaltung der Robert-Bosch-Stiftung in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.

05.12.2022
Zusammenstellung verschiedener Grafiken aus dem Gutachten des Dritten Gleichstellungsberichts zu digitaler Gewalt

Am 30.11.2022 organisierte die Robert-Bosch-Stiftung[1] in ihren Räumlichkeiten in Berlin eine Veranstaltung für Austausch, Input und Vernetzung zum Thema digitale Gewalt. Die Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht war gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.[2] als Kooperationspartnerin bei der Veranstaltung dabei. Unter dem Titel „Umgang mit Digitaler Gewalt jenseits von Hate Speech: Zwischen Drittem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung und Digitalem Gewaltschutzgesetz – wo stehen wir, wo müssen wir hin?“ trafen sich Akteur*innen aus frauenpolitischen Verbänden und zivilgesellschaftlichen (digitalpolitischen) Initiativen, um über aktuelle Problemstellungen und nächste Schritte im Themenfeld digitale Gewalt zu diskutieren.

Mirjam Dierkes, die Leiterin der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, stellte zu Beginn der Veranstaltung die Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen aus dem Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung[3] vor. Gewalt im digitalen Raum und mittels digitaler Technik schränke die Verwirklichungschancen von Frauen massiv ein: im sozialen Nahraum, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum und in ihren Teilhabemöglichkeiten im digitalen Raum. Die Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten umfassen u.a. den Ausbau von Kompetenzen und Strukturen bei Strafverfolgungsbehörden, Polizei und Justiz sowie die Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Strukturen der Fachberatungsstellen, um einen umfassenden Gewaltschutz sicherzustellen. Weiterhin empfiehlt die Sachverständigenkommission die Einrichtung einer Kommission zum Thema Anonymität vs. Identifikation im digitalen Raum und eine Befassung mit Möglichkeiten des Technikeinsatzes zur Aufdeckung von Hate Speech oder zur Bekämpfung von Cyberstalking.

Im Anschluss folgte Benjamin Lück von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. mit einem Input zur Erarbeitung eines digitalen Gewaltschutzgesetzes. Strafrechtliche Standards eigneten sich nicht dazu, digitale Gewalt schnell zu beenden, da Verfahren zeitaufwendig sind und Ermittlungen häufig erst mit Verzögerungen stattfinden, so Benjamin Lück. Auch die Verantwortung an private Unternehmen abzugeben könne keine Alternative sein, da deren Maßstäbe zur Bekämpfung digitaler Gewalt mit wirtschaftlichen Interessen und Abwägungen verknüpft seien. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. entwickelt im Rahmen der Marie-Munk-Initiative[4] einen Entwurf für ein Gewaltschutzgesetz, das als Muster für eine neue Rechtsgrundlage gegen digitale Gewalt dienen soll. 

Als dritte Rednerin sprach Dama Sathianathan von Chayn[5], einer globalen NGO gegen geschlechtsbezogene Gewalt. Chayn entwickelte Orbits [6]als ein umfassendes Handbuch für Interventionen gegen geschlechtsbezogene Gewalt, die durch Technologie ermöglicht und ausgeführt wird. Orbits verfolgt einen intersektionalen, Betroffenen-zentrierten und Trauma-sensiblen Ansatz gegen digitale Gewalt. Dama Sathianathan machte auf die verschiedenen Formen digitaler Gewalt aufmerksam, die sich ständig verändern und erneuern. Sie bemängelte eine unzureichende Übernahme von Verantwortung der Täter*innen und Beteiligten sowie eine unzureichende Entschädigung der Betroffenen digitaler Gewalt. Ein maßgebliches Problem seien mangelnde Ressourcen, um adäquate Hilfe bei digitaler Gewalt leisten zu können. In Orbits werden Strategien gegen digitale Gewalt vorgestellt, die sowohl die Ebenen von Gesetzgebung und Policy als auch der Technikentwicklung berücksichtigen.

Im Anschluss an die Inputs wurde im Plenum und in Kleingruppen über notwendige nächste Schritte im Themenfeld digitale Gewalt diskutiert. Die Diskussionen drehten sich um Reformbedarfe in der Gesetzgebung, die Notwendigkeit eines Monitorings digitaler Gewalt und Möglichkeiten der Sensibilisierung von Polizei und Behörden.

Zum Weiterlesen geht es hier zum Themenblatt: Digitale Gewalt[7]

Links:

  1. https://www.bosch-stiftung.de/de
  2. https://freiheitsrechte.org/
  3. https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/81.dritter-gleichstellungsbericht.html
  4. https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/marie-munk-initiative
  5. https://www.chayn.co/
  6. https://chayn.notion.site/Orbits-a-global-field-guide-to-advance-intersectional-survivor-centred-and-trauma-informed-interv-8d8dc6a1436543b8b25af63ddafaa409
  7. https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/kontext/controllers/document.php/214.1/a/f40055.pdf