Debatte über den Dritten Gleichstellungsbericht im Deutschen Bundestag

12.04.2022

Der Deutsche Bundestag debattierte am 07. April 2022 über den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Es gab aus allen demokratischen Fraktionen großes Lob für das Gutachten und viel Dank an die Sachverständigenkommission.

 

Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) eröffnete die Debatte. Die Digitalisierung sei im Sinne eines „ICEs in voller Fahrt“ vorangeschritten. Dabei müssten die „Weichen so gestellt werden“, dass Frauen in Gestaltung und Teilhabe nicht benachteiligt werden und die Chancen der Digitalisierung in gleicher Weise nutzen können. Um z.B. den geringen Frauenanteil in der Digitalbranche zu bekämpfen, sollten mehr Mädchen durch Programme wie den girlsday oder code girls für MINT begeistert werden. Frauen, die schon in der Branche arbeiten oder dort gründen wollen, sollten besser gefördert und vor Diskriminierung geschützt werden. Dafür, so die Staatsekretärin, sei u.a. die Mitarbeit des Ministeriums an der EU-KI-Verordnung zentral. Sie schloss mit der Forderung, dass Programme zur Förderung einer geschlechtergerechten Digitalisierung in den Haushaltsverhandlungen Beachtung finden sollten.

Auch in den Reden der anderen Abgeordneten fanden die Themen Frauen in MINT bzw. Frauen in der Digitalbranche und deren Anteil an Gründungen besondere Beachtung. MINT-Themen, so die vielfach geäußerte Forderung, sollten schon früh in die Bildung einbezogen werden. Dabei sollten vor allem auch Mädchen in diesen Interessen gefördert werden, anstatt klischeebehaftete Rollenbilder an sie heranzutragen. Dafür müssten z.B. bestehende Förderprogramme ausgebaut werden. Auch die Arbeitskultur in der Digitalbranche sollte verändert werden. „Fix the company, not the women“ betonte beispielsweise MdB Nicole Bauer (FDP). Um die Barrieren für Gründungen durch Frauen zu senken, müssen diese Zugang zu Wagniskapital und Fördermöglichkeiten erhalten. Diese Fördermöglichkeiten seien bislang oftdurch stereotype Vorstellungen seitens der Fördernden und andere Hürden verstellt, so insbesondere die Rednerinnen aus der CDU- und der FDP-Fraktion. Um Vorbilder für jüngere Frauen zu schaffen, müsse zudem die Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalbranche gefördert werden.

Sichtbarkeit und Stereotype spielten auch in den Beiträgen zum Thema Soziale Medien eine große Rolle. Die Fraktionen Grüne/Bündnis 90, Die Linke und SPD hoben hier insbesondere die Risiken durch die auf Sozialen Medien dominanten Bilder hervor. Sei es in Bezug auf Schönheitsideale und Körperbilder, oder Berufswahl – die Repräsentation junger Menschen auf Plattformen wie Instagram ist oft klischeebehaftet und verstärkt Geschlechterstereotype, auch durch die für soziale Medien zentralen Algorithmen, die bestimmte Inhalte sichtbarer als andere machen. Medienbildung, die junge Menschen für diese Biases und damit verbundene Risiken sensibilisiert, sowie Kampagnen, die Raum für andere Vorbilder und eine vielseitigere Darstellung von Geschlecht schüfen, könnten Wege der Bekämpfung dieser Tendenz sein, schlug MdB Ariane Fäscher (SPD) vor. Im Kontext des Themas Soziale Medien wurde auch die Betroffenheit vieler Mädchen und Frauen von digitaler Gewalt und die Notwendigkeit dagegen vorzugehen mehrfach angesprochen. Vor allem MdB Heidi Reichinnek (Die Linke) forderte entschieden flächendeckende Beratungsangebote, mehr Fachkompetenz bei Polizei und Justiz und IT-Unterstützung für Frauenhäuser und Beratungsstellen.

Weitere Themen der Debatte waren Algorithmendiskriminierung z.B. bei der Personalauswahl, sowie Geschlechterverhältnisse und Prekarität in der Plattformarbeit. MdB Josephine Ortleb (SPD) hob hervor, dass es mehr Verantwortungsübernahme durch Unternehmen in der Bekämpfung von Diskriminierung schon während der Technikentwicklung bräuchte. Zudem bräuchte es divers zusammengesetzte Teams. Plattformen, die Arbeit vermitteln und in denen oft Frauen unter prekären Bedingungen arbeiten, müssten in die Pflicht genommen werden, Diskriminierung zu verhindern und gute Arbeitsbedingungen einschließlich einer ausreichenden sozialen Absicherung zu gewährleisten.

Ein Thema, in dem die Fraktionen durchaus unterschiedliche Positionen vertraten, war das Thema Homeoffice und eine damit einhergehende Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Während Nadine Schön (CDU/CSU) und Nicole Bauer (FDP) Regulierungen hier eher als hinderlich sahen, machten Denise Loop (Grüne/Bündnis 90), Ulle Schauws (Grüne/Bündnis 90) und Heidi Reichinnek (Die Linke) darauf aufmerksam, dass Arbeit im Homeoffice auch zu einer Retraditionalisierung in der Verteilung von Sorgearbeit führen und mit Gesundheitsrisiken durch Entgrenzung einhergehen könne. Auch im Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht wird betont, dass die Chance einer Flexibilisierung von Arbeitszeiten und die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten nur gleichstellungsfördernd genutzt werden können, wenn diesen Risiken durch entsprechende gesetzliche Rahmung Rechnung getragen werden.

 

Alle demokratischen Fraktionen waren sich über die Wichtigkeit von Weichenstellungen hin zu einer geschlechtergerechten Digitalisierung einig. Nach Abschluss der Debatte wurde die Vorlage nun an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Digitales und den Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Die Liveübertragung der Debatte kann auch nachträglich noch in der Mediathek des Deutschen Bundestags [1]angeschaut werden. Auf der Seite des Bundestags finden Sie ebenfalls das Protokoll der Plenardebatte[2] sowie eine kurze Zusammenfassung der Fraktionspositionen und Redebeiträge[3].

Links:

  1. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw14-de-gleichstellungsbericht-886586
  2. https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/20/20028.pdf#P.2398
  3. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw14-de-gleichstellungsbericht-886586